HOCHHEIM. In der Vinothek des Weinguts Johanneshof fand am vergangenen Sonntag der Neujahrsempfang des Hochheimer Blasorchesters statt. Der Verein feiert in diesem Jahr sein 75-jähriges Bestehen. Aufgrund des besonderen Geburtstages waren zahlreiche Gäste aus Verbandswelt und Politik anwesend.
Über die Geschichte des Blasorchesters (BOH) berichteten in Kurzform die Vorsitzende Christina Lindt und die stellvertretende Vorsitzende Kerstin Moravek, die beide den Empfang moderierten. In einer Artikelserie in der Hochheimer Zeitung wird über das Jahr verteilt über musikalische und andere Vereinsaktivitäten aus Vergangenheit und Gegenwart ausführlich berichtet werden. Maßgeblichen Anteil an der Entwicklung des Vereins und der modernen Instrumentenzusammensetzung hat der Ehrenvorsitzende und langjährige Vorsitzende Lothar Kaufmann. Aus dem einstigen Pfeifen- und Trommlerkollektiv entstand durch Hinzunahme von Fanfaren, Blech- und Holzblasinstrumenten ein orchestraler Klangkörper mit einem vielfältigen Repertoire. Kaufmann hörte 2019 als Vorsitzender auf, wurde zum Ehrenmitglied und 2023 zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Für sein langjähriges Engagement für das Blasorchester Hochheim erhielt Kaufmann die Ehrenmedaille der Stadt Hochheim nebst Urkunde und Ehrennadel am Sonntag durch Stadtverordnetenvorsteherin Claudia Weltin und Bürgermeister Dirk Westedt überreicht.
Ein neues Musikverständnis durch Rail Grodzenski
Einen musikalischen Quantensprung erfuhr das Blasorchester 1995 mit dem professionellen Dirigenten Rail Grodzenski. Ihm zu verdanken sind die großartigen Konzerte in der Georg-Hofmann-Halle. „Er hat uns ein neues Verständnis von Musik beigebracht“, schwärmt Kerstin Moravek. Nicht das Spielen vom Blatt sei das Entscheidende, sondern das empathische sich hineinfühlen, was das Stück ausdrücken will, sowie das Gespür während des Spielens für die Mitmusizierenden, sei es in der eigenen Sektion, ebenso wie in den anderen Instrumentengruppen. Grodzenski verstand die Musik (in einem Orchester) als lebenden Organismus, der Töne nicht nur „produziert“, sondern Klangfarben zeichnet, die für die Zuhörer emotional erfahrbar sein sollen.
Sein Nachfolger wurde 2019 Niko Leikam, dann kam Corona und die Musik im Orchester zum Erliegen. So wird sich der Dirigent einem größeren Publikum am 23. März beim Jubiläumskonzert vorstellen.
Freude den Menschen bringen durch die Musik
„Sie bereiten seit 1949 mit ihrer Musik den Menschen viel Freude von Hochheim bis nach Mainz und sind ein Beispiel für Optimismus, Mut und Zuversicht“, betonte Landrat Michael Cyriax in seiner Laudatio für das Blasorchester. Denn im Gründungsjahr des Musikvereins lag vieles in Deutschland am Boden und die Sorgen der Menschen drehten sich vor allem um die Wohnungsfrage, wie und mit was sie ihre Räumlichkeiten über den Winter heizen, und wie und wo sie sich ausreichend mit Nahrung versorgen können. Da standen das Musikmachen oder allgemein kulturelles Schaffen ganz unten auf der menschlichen Bedürfnisskala. Umso bedeutsamer wiegt das positive und nach vorne gerichtete Engagement von Personen, einen Musikverein zu gründen und mit Auftritten den Menschen in schwieriger Zeit durch Musik Lebensfreude zu vermitteln. Nur mit Pessimismus und Kritik an allem und jedem lässt sich keine Zukunft gestalten, nichts aufbauen.
Leider sind nach Auffassung Cyriax‘ gerade diese negativen Einstellungs- und Verhaltensmuster derzeit in der Gesellschaft allzu verbreitet. Der Landrat wünschte sich mehr Vertrauen der Menschen in ihre Fähigkeiten, um Probleme zu lösen und positiv in die Zukunft zu blicken. Cyriax konnte dem Blasorchester zwar keinen Scheck aushändigen, kündigte aber als stellvertretender Vorsitzender der Taunussparkassen-Stiftung an, aus seinen Verfügungsmitteln am Ende des Jahres einen Betrag von 750 Euro dem „BOH“ zu übergeben.
Was wäre Hochheim ohne sein Blasorchester?
Ohne das Blasorchester würde Hochheim etwas fehlen, betonte Bürgermeister Dirk Westedt. Dabei hob er die vielen Feierlichkeiten im Kalender der Wein- und Sektstadt hervor: Weinfest, Hochheimer Markt, Martinsumzug, Heiligabend, die zahlreichen Auftritte auf Hoffesten und die großen Konzerte in der Georg-Hofmann-Halle. Das Blasorchester zeichne sich durch seine hohe musikalische Qualität aus, die sich die Musizierenden durch regelmäßige Proben erspielten. Zudem, und dies sei ein zentraler Aspekt guter Vereinsarbeit, kümmere sich der Verein um seinen Nachwuchs, der im Jugendorchester „Weiherfrösche“ die ersten orchestralen Gehversuche unternimmt, so der Bürgermeister. Er wünsche der Stadt Hochheim, dass das Blasorchester noch lange „die Herzen der kommenden Generationen begeistert“. Für den Magistrat übergab der Rathausleiter einen Geburtstagsscheck und meinte: „Wenn es das Orchester nicht geben würde, müsste man es unbedingt erfinden“. Dem schloss sich später auch der Vereinsringvorsitzende Bernhard Gerlich an. „Ihr seid eine echte kulturelle Bereicherung für unsere Stadt“.
Seit neun Jahren ist er Präsident des hessischen Musikverbands (HVM) und seit kurzem Staatssekretär im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur. Christoph Degen möchte sich im Rahmen seiner politischen Tätigkeit auf kulturellem Gebiet verstärkt um die Förderung der Amateurmusiklandschaft in Hessen kümmern. Dort sind es Ehrenamtliche, die für eine beachtliche musikalische Qualität sorgen und eine unverzichtbare Grundlage bilden für Musizierende, die später dann in professionellen Spitzenorchestern sitzen. Örtliche Musikvereine, Kapellen und Orchester wie das Blasorchester Hochheim sind zudem integrationsstiftend, bereichern das kulturelle Leben in einer Kommune. Musik ist eine Sprache, die keine Grenze kennt, weil sie jeder versteht. Dabei realisieren die Ensembles ihre Musik als kollektiven Klangkörper. Jeder und jede müsse sich auf den anderen verlassen können, so Degen. Ein Musikstück sei stets ein Gemeinschaftsprodukt. Musizieren und regelmäßige Proben stärkten dabei den sozialen Zusammenhalt. Als Anerkennung für das Blasorchester gab es vom HVM eine Urkunde und einen transparenten Pokal. Gleichzeitig überbrachte Degen die Glückwünsche der Bundesvereinigung deutscher Musikverbände in Form einer silbernen Ehrenplakette.
Das Musikensemble auf närrischen Wegen
Dass auf die Musizierenden des Blasorchesters Hochheim auch in der fünften Jahreszeit stets Verlass ist, unterstrich der Präsident der Mainzer Prinzengarde Karl-Otto Armbrüster, der mit Vorstandsmitglied Steffen Rühl den Rhein überquert hatte. Der Präsident hob das mittlerweile mehr als fünf Jahrzehnte andauernde Engagement des Blasorchesters als Regimentsorchester für die Prinzengarde und die Meenzer Fassenacht hervor. Hatte es bereits seit 1953 lockere Kontakte zu den Prinzengardisten geben, verstetigten sich die Auftritte des Blasorchesters bei der Prinzengarde seit 1966. Dort firmieren die Musikerinnen und Musiker nicht unter Blasorchester, sondern heißen „Unsere Hochheimer“. Denen überreichte Hans-Otto Armbrüster am Sonntag die höchste Auszeichnung der Mainzer Prinzengarde „den Gardetrommler“, eine verkleinerte originalgetreue Skulptur des Fastnachtsdenkmals am Schillerplatz.
Wie vom Obermatschores der Prinzengarde nicht anders zu erwarten war, forderte er die Anwesenden auf, auf das Hochheimer Blasorchester „Ee-Vau“ ein dreifach donnerndes „Helau“ zu skandieren. Damit wurde es Zeit für ein weiteres Glas Sekt oder Wein bei wohlschmeckenden Häppchen und guten Gesprächen.
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- vom 26.01.2024